Sind wir auf Retro gebürstet – oder steht hinter dem Comeback der Schallplatte eine ernsthafte Bewegung? Die Antwort ist einfach: Wer das Vinyl nicht ehrt, ist des guten Klangs nicht wert.
Wir sind betrogen worden, vielleicht auch von uns selbst. Am 15. April 1981 reckte Herbert von Karajan seine erste CD in die Höhe und verkündete der Weltpresse: „Alles andere ist Gaslicht“. Nur zu leicht waren wir bereit, die Lager zu wechseln. Die Schallplatte galt als überkommen, die CD strahlte im Silberglanz und versprach einen nie geahnten Klang bei optischer Ausbeute, ohne Abnutzung. Die LP ging unter. Die Verkaufszahlen sanken gen Boden, die Plattenspieler wurden auf den Dachboden verbannt oder – ganz grausam – verschrottet. Dabei wissen wir heute: Die analoge Klangwiedergabe über einen guten Plattenspieler hat mitunter mehr Format als eine CD. Bitte nicht als Provokation verstehen: Die Schallplatte hat natürlich Grenzen – die Kanaltrennung, der nutzbare dynamische Raum. Aber der analoge Gedanke hat seinen Reiz, kombiniert mit einigen Vorzügen, die vom menschlichen Bewusstsein als angenehm und reicher empfunden werden. Doktorarbeiten sind darüber geschrieben worden.
Gute, alte LP? Von wegen: Vinyl nimmt der Silberscheibe deutliche Marktanteile ab
Doch schauen wir auf Fakten und Zahlen – die Umsätze. Wurden 2002 beispielsweise in Deutschland noch CDs im Wert von 1,8 Milliarden Euro verkauft, so waren es 2022 nur noch 268 Millionen Euro. Natürlich legt das Geschäft im Streaming-Segment zu, unerbittlich, faszinierend und überragend. Aber auch die alte LP gewinnt an Marktbedeutung. Blicken wir auf den gleichen Zeitraum: 44 Millionen Euro gingen 2002 bei Vinyl über den Tresen, 2022 waren es schon 124 Millionen Euro – also faktisch wurde der halbe Marktanteil der CD geknackt. In den USA ist das Kaufverhalten komplett gekippt: Erstmals seit 1987 wurden mehr Schallplatten als CDs verkauft, so der Branchenverband RIAA.
Zwei Strömungen: Die Jungen suchen den Kult, die High-End-Fans das bessere Format
Bin ich ein verkrusteter Musikhörer, wenn ich weiter auf der CD beharre? Nein, natürlich nicht. Es gibt gewaltige Sammlungen in den Regalen. Aber man sollte die audiophilen Vorzüge des Streamings nicht missachten – und der schwarzen Leidenschaft frönen. Denn auch bei der Hardware, den Klangwandlern, setzt sich der Trend fort: Es verkaufen sich in reinen Stückzahlen mehr Plattenspieler als CD-Player.
Dahinter stehen zwei unterschiedliche Strömungen. Da wären die Jung-Besitzer, die zum ersten Mal den Rausch des schwarzen Goldes erleben – Vinyl ist für sie Kult, das Musikmaterial der DJs. Hinzu kommen die Wiederentdecker: All jene, die ihre Schallplattensammlung im Keller verstaut haben und nun wieder zu den Scheiben greifen.
Den Oldie reparieren? Oder besser den neuen Meisterwerken vertrauen?
Folgefrage: Lohnt es sich, den alten Plattenspieler wieder aus dem Karton zu holen? Es kommt auf die eigenen Ambitionen und vor allem auf das Alter des guten Stücks an. Jetzt nicht lachen – aber wie bei der Fahrt zum TÜV geht es auch bei Plattenspielern um Ölwechsel und Kraftübersetzung. Ein Plattenspieler altert nicht unbedingt edel. Das Lager muss überprüft werden, je nach Konstruktionsart kann der Riemen ausgeleiert sein. Fatal wäre es, wenn der Tonarm verzogen ist oder gar ein zu großes Gewicht in der Rille liegt – damit altern auch die geliebten Schallplatten unumkehrbar.
Also neu kaufen? Ja, es gibt Argumente dafür. Auch in der Vinyl-Technologie hat es Fortschritte gegeben, durch alle Preisregionen. Die Motoren wie die Tonarme und die Tonabnehmer unterliegen strengeren Kontrollen, die großen Hersteller haben Streuungen verbannt – jeder Plattenspieler soll identisch aufspielen wie der Zwilling im Katalog.
Keine Angst: Die Erstinstallation liegt in der eigenen Hand – oder der des Profis
Respekt ist angebracht, aber keine Angst. Es gibt Komplettlösungen, die „Out-of-the-Box“ funktionieren. Also auspacken, aufstellen, nur das Auflagegewicht justieren – das wäre es. Wer es komplexer und mitunter kostenintensiver mag, der kann auf den Händler vor Ort vertrauen. Eben auf uns. Wir liefern, stellen auf, beraten insbesondere bei der Wahl des idealen Tonabnehmers – hier kann ein bereits ausgezeichneter Plattenspieler in die höchste audiophile Welt gebracht werden.
Nicht zu vergessen: Plattenspieler sind auch Ikonen, großartige Kunstwerke, bei denen es Freude bereitet, ihnen bei der Arbeit zuzusehen.
Masse, Klasse, Riemen? Diese Grundkonstruktionen sollte man kennen
Drei, vier unterschiedliche Bauweisen, Feinheiten sollte man kennen. Ein sogenanntes Masselaufwerk definiert sich über Gewicht – ein schwerer Plattenteller sorgt für Laufruhe und Drive. Ein Subchassis-Modell hingegen kann leicht sein, hier wird der Plattenteller vom Armboard getrennt, die Konstruktion funktioniert über Federn oder unterschiedliche Materialien. Auch beim Antrieb gelten zwei konkurrierende Prinzipien: Die Übermacht der Plattenteller wird über einen externen Motor zum Rotieren gebracht, die Kraft überträgt ein Riemen. Dagegen steht ein Direktantrieb – hier liegt der Motor direkt an der zentralen Achse des Plattentellers.
Der "mitwachsende" Plattenspieler: Ein frischer Tonabnehmer erhöht die Klangausbeute
Wie bei den Philosophen lässt sich trefflich über die eine, unverrückbare Wahrheit streiten. Die Foren sind voll von Meinungen, die technischen Veröffentlichungen gefüllt mit Messergebnissen. Man sollte sich vom eigenen Ideal leiten lassen – optisch, aber natürlich primär klanglich. Zudem: Nichts ist festgemauert. Über neue Tonarme, andere Tonabnehmer kann ein Plattenspieler regelrecht „mitwachsen“. Dabei immer bedenken: Ein Plattenspieler gibt winzige Impulse aus, die verstärkt und entzerrt werden müssen. Hier benötigt es einen externen Phonoamp. Aber nicht zwingend. Denn überaus viele Hersteller von Verstärkern folgen bereits dem Vinyl-Trend und bauen hochwertige Phonomodule in ihre Elektronik ein.
Einsteigen, aufsteigen – die Spannbreite der Preise ist gewaltig und spannend
Womit die Kernfrage erreicht wäre: Was soll ich investieren? Wieder verbieten sich Pauschal-Tipps. Rega und Pro-Ject beispielsweise bieten erstaunliche Klangkompetenz bereits in der Einsteigerklasse. Linn-Fans werden stets von einem LP12 träumen. Bei den Masselaufwerken spielen insbesondere zwei deutschen Firmen in der obersten Weltklasse: Clearaudio und Transrotor. Auf der jüngsten High-End-Messe in München stellte Thorens einen Plattenspieler für über 200 000 Euro vor – und es geht noch mehr.
Zum Schluss noch etwas Wissenswertes für die Kulturfreunde unter uns: Wir haben Bach, Beethoven und Brahms. Aber ein weiteres Genie mit dem Namen „B“ sollten wir in der Welt der Musik noch hinzufügen: Emil Berliner, der offizielle Erfinder der Schallplatte. Thomas Alva Edison schrieb seine Tonaufzeichnung in eine rotierende Rolle. Erst Emil Berliner (1851-1929) brachte die Tonschrift auf eine flache Scheibe und konnte die Musikinformationen damit ganz einfach multiplizieren, eben pressen. Alles geschehen in Hannover. Noch heute gibt es eine Industrie-Fläche im Norden der Stadt, in der Berliner seine erste Fertigung errichtet hatte.
Die unendliche Geschichte...
Es gab Zeiten, da galt die Schallplatte als abgeschriebenes Kulturgut. Doch der Markt hat sich rasant gedreht. Vinyl ist nicht nur modisch – viele erkennen die klangliche Faszination des analogen Lebensgefühls. Mehr als ein Retrotrend. Wir outen uns selbst als Fans und beraten gern.